Galgenhumor oder Political Correctness?



Zwei Blinde sitzen auf einer Parkbank. Der eine niest. Daraufhin sagt der andere:
"O cool, mach mir auch mal 'ne Dose Bier auf."

Ein Blinder steht mit seinem Hund an der roten Ampel. Da pinkelt ihm der Hund ans Bein. Der Blinde gibt ihm daraufhin einen Hundekuchen. Ein anderer Mann sieht das und fragt den Blinden: "Sagen Sie mal, das ist aber komisch. Der Hund hat Sie gerade angepinkelt und Sie geben ihm einen Hundekuchen?" Darauf der Blinde: "Wissen Sie, wenn ich ihm keinen Hundekuchen gebe, weiß ich nicht, wo vorne ist und wenn ich nicht weiß, wo vorne ist, kann ich ihm nicht in den Hintern treten ..."

Ein Blinder geht mit seinem Hund ins Kaufhaus (natürlich der gleiche wie vom letzten Witz). Dort stellt er sich hin und schwingt den Hund an der Leine um seinen Kopf, rundum und immer wieder. Schlussendlich kommt ein Verkäufer vorbei und fragt: "Was machen Sie denn da? Äh, kann ich Ihnen helfen?" Darauf der Blinde: "Och nö, Ich schau mich nur mal so um."

Warum essen blinde Menschen so gern Sesambrötchen? Weil da immer so schöne Kurzgeschichten draufstehen.

Läuft ein Blinder vor einen Baum und sagt: " Das habe ich kommen sehen!"

Bei einer Stadtführung wirft ein Blinder sein Glasauge immer und immer wieder vor ein berühmtes Kunstwerk. Fragt der Stadtführer: "Was machen sie denn da?", antwortet der Blinde: "Sie sagten doch, man solle mal einen Blick auf diese Kunst werfen."

Zwei befreundete Jäger sind auf der Jagd. Plötzlich sieht der eine von ihnen einen Hirsch, legt an und - trifft seinen Kollegen mitten ins Auge! Dieser ist außer sich vor Wut und schreit: "Wenn Du das noch einmal machst, sind wir geschiedene Leute und ich schaue dich nicht mehr an."

Warum haben Blinde einen Stock? Damit man sie daran besser unter dem Auto hervorziehen kann.

Sagt der Taube: "Ich kann keine Behindertenwitze mehr hören." Antwortet der Blinde: "Das sehe ich genauso."

Ein blinder Mann und eine Familie mit drei Kindern stehen an einer Bushaltestelle. Der übervolle Bus trifft ein und kann nur noch vier Passagiere mitnehmen. Da steigt die Mutter der Familie mit ihren drei Kindern zu, die beiden Männer, also der Vater der Kinder und der Blinde, gehen zu Fuß. Nach einer Weile ist der Sehende genervt vom kratzigen Geräusch des Blindenstockes, welches der Blinde beim Pendeln erzeugt. Da sagt der Sehende: "Ihr Stock ist aber laut, können sie da nicht etwas über die Spitze ziehen?" Der Blinde antwortet: "Ausgerechnet sie müssen sich beschweren. Hätten sie etwas über ihre Spitze gezogen, könnten wir jetzt mit dem Bus fahren."

"Warum kommen Blinde nicht in die Hölle?", fragt ein Blinder. Die Antwort ist einleuchtend: "Weil der Teufel Angst hat, dass sie ihm auf den Schwanz treten!"

Ein Blinder und ein Rollstuhlfahrer machen sich für eine Party zurecht. Sagt der Blinde: "Du siehst gut aus." Sagt der Rollstuhlfahrer: "Lass uns gehen."

Kommt ein Mann in die Kneipe. Er trägt eine Armbinde mit drei Panzern darauf. Der Wirt fragt ihn, was das zu bedeuten habe. Er antwortet: "Ich bin kriegsblind!" Daraufhin spendiert ihm der Wirt ein Bier. Kurze Zeit später kommt ein zweiter Mann. Auf seiner Armbinde sind drei Schneeflocken. Auch ihm stellt der Wirt wieder die Frage, was die Binde zu bedeuten habe. Dieser Mann antwortet: "Ich bin schneeblind." Auch ihm spendiert der großzügige Gastwirt ein Bier. Nach einiger Zeit kommt ein dritter Mann in die Kneipe. Auf seiner Armbinde sind drei Gänse abgebildet. Wieder will der Wirt wissen, was das zu bedeuten habe. Er erhält die Antwort: "Ich bin ganz blind!"

Treffen sich ein Blinder und ein Armloser, sagt der Armlose zum Blinden: "Ich klatsch dir eine." Sagt der Blinde: "Das will ich sehen!"

Sagt ein Kneipengast nach Einbruch der Dämmerung: "Ich trink mein Bier immer, wenn es dunkel ist." Antwortet ein Blinder: "Ich auch."

Ein Blinder kommt in einen Fischladen und sagt: "Hi Mädels!"

Ein Blinder verirrt sich auf einem Parkplatz, fragt ein sehender Helfer: "Was für ein Auto fahren sie, darf ich Sie zu Ihrem Wagen führen?". Da sagt der Blinde: "Nee danke, ich hab meinen Autoschlüssel verloren."

Warum haben Blinde Glasaugen? Weil man durch Holzaugen nicht durchgucken kann.


Na, erahne ich ein Grinsen in deinem Gesicht, lieber Leser, oder bist du eher peinlich berührt, wenn nicht sogar beleidigt? Du bist dir wahrscheinlich nicht ganz sicher, wohin du tendieren sollst. Du wirst versuchen, dein Gewissen zu befragen und dazu all die Vorstellungen von Ethik und Moral auskramen, die dir je begegnet sind. Wie du dich verhalten sollst, wirst du dann aber noch immer nicht eindeutig einschätzen können. Die Frage, ob man über Behindertenwitze, einer Kategorie aus dem Genre der Minderheitenwitze, lachen darf oder nicht, ist nicht in einem Satz zu beantworten. Aus meiner Sicht ist das Niveau des Humors entscheidend. Nicht jeder darf Behindertenwitze machen, es gibt legitime und nicht legitime Witze und der Witz muss in die Situation passen.

Um dieses Thema jedoch ganzheitlich zu betrachten, sind zunächst einige Begriffsklärungen nötig. Ich beginne mit der politischen Korrektheit, welche es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht hat, Sprache moralpolitisch zu beurteilen. Verwerflich ist meiner Meinung nach nicht, einen Schwulen schwul, einen Idioten idiotisch, einen Behinderten behindert und einen Blinden eben blind zu nennen. Es ist nichts dagegen zu sagen, dass man Phänomenen einen Namen gibt. Ich verurteile allerdings die Tatsache, dass Begriffe häufig mit diskriminierenden Sinnbildern behaftet werden, die der Begriffsbedeutung nicht entsprechen. Wer falsche Sinnbilder benutzt, ist auch immer ein Verursacher des Problems, da er unrichtige Vorstellungen legitimiert und sie durch wiederholtes Erwähnen verfestigt. Dass ein Spastiker ein Spastiker ist, lässt sich nicht wegdiskutieren, darin liegt auch keine Wertung, nur eine medizinische Diagnose. Nennt man aber einen Mitmenschen "Spasti" und will damit ausdrücken, dass der Angesprochene irgendwie vollkommen bekloppt, peinlich oder minderbemittelt ist, dann ist die Bezeichnung Spastiker definitiv die falsche.

Jeder Mensch trägt Verantwortung für das, was er sagt, und wenn er ein Wort als Instrument bemüht, sollte er dessen Bedeutung kennen und es bedeutungsentsprechend einsetzen. Erst die falsche Interpretation von Begriffen schafft Diskriminierung, nicht die Begriffe selbst. Solange diese unreflektierten Metaphern inhaltliche Verwendung finden, werden tatsächlich betroffene (z. B. Spastiker) sich unter Umständen beleidigt fühlen. Ähnlich verhält es sich mit dem Blindheitsbegriff, wenn er als Synonym für Blödheit benutzt wird. Zum Beispiel mit der Behauptung, im Bundestag säßen nur Blinde, unterstellt man dem wahren Blinden automatisch das Unvermögen, geistig umsichtig zu handeln. Zahlreiche Songtexte erzählen, dass jemand zu blind war, um zu verstehen und damit meint der Interpret ein beschränktes Denken und nicht ein beschränktes Sehen im eigentlichen Sinne. Dabei ist der Geist eines Blinden meist alles andere als vernebelt. Da diese Blind = Blöd-Verknüpfung aber nicht jeder Zeitgenosse differenzieren kann, besteht die Gefahr, dass Blinde wirklich für blöd gehalten werden.

Ich sehe ein, dass ich mich hier auf schwierigem Terrain bewege und dass für einen Außenstehenden nicht so leicht nachzuvollziehen ist, an welcher Formulierung sich ein Betroffener stoßen könnte und an welcher nicht. Es gibt Aussagen, die sich einfach verselbständigt haben und deren Hintergrund man nicht in jedem Fall auseinanderpflücken sollte. So kann symbolisch gesprochen auch ein Beinamputierter mit "dem falschen Bein" aufgestanden sein oder ein Rollstuhlfahrer "einen Schritt" auf den anderen zugehen. Hier würde man alles nur noch schlimmer machen, wenn man sagt: "Na, bist du mit der falschen Prothese aufgestanden" oder "Ihr müsst einen Schritt aufeinander zurollen." Wo will man da anfangen und wo aufhören?

Wenn ich mein Radio "laufen" lasse, dann schicke ich es auch nicht auf seinen nicht vorhandenen vier Beinen ins Freigehege. Zugegeben, es erfordert etwas Sensibilität, den Unterschied zwischen legitimen und nicht legitimen Wortfindungen zu erkennen, aber so schwer ist es auch nicht. Man kann zu einem Blinden ohne größere Bedenken sagen: "Wir haben uns schon mal gesehen", denn man meint damit ja nur die Tatsache, dass man sich eben bereits in einer anderen Situation begegnet ist. Selbst blinde Menschen untereinander "sehen sich später" oder "schauen das Fußballspiel" zusammen an, tappen auch mal sprichwörtlich im Dunkeln oder sehen schwarz, "gucken" nach, ob sie noch genug Kleingeld in der Tasche haben, verschaffen sich einen "Überblick" in der Kaufhalle oder haben nicht schlecht "geguckt", als sie überraschend einen alten Bekannten "wiedergesehen" haben. Auch hier liegt keine negative Wertung vor. Sollte es aber hin und wieder einmal einen blinden Menschen geben, der sich an jenen Aussagen stößt, hängt dies oft mit dem Stadium seiner Behinderungsverarbeitung zusammen und ich möchte auch diese Reaktion nicht verurteilen.

Der Konflikt entsteht jedoch häufig erst dann, wenn eine geringschätzige Beurteilung blinder Menschen durch falsche Vorstellungen auftritt. Sie ist meist anmaßend und unberechtigt dem Betroffenen gegenüber und diesen Hinweis sollten sich diejenigen hinter die Ohren schreiben, die im Umgang mit Behindertenwitzen etwas ungeschickt sind.

Blindenwitze, die ich nicht mehr hören kann sind folgende: "Was ist gemein?" - Wenn man einen Blinden an die Litfaßsäule stellt und sagt, dass es nach Hause immer an der Wand lang geht." "Und Was ist fies? Wenn man mit einem Blinden in einen Stummfilm geht"

Foto: J. Sonntag läuft um eine Litfasssäule

Und somit wäre ich beim nächsten Grundbegriff angekommen, den es zu klären gilt: beim klugen Humor. Die Frage ist nicht, ob Humor gut oder schlecht ist, sondern ob er intelligent oder strohdumm ist. Humor hat nur wirklich Stil, wenn er aus der Metaebene praktiziert wird, also aus der wissenden Überlegenheit. Entsteht er aus Unkenntnis, Unfähigkeit, Halbwissen oder Beschränktheit, ist es kein Humor. Ist er aber klug, muss er sich dann doch dem Gütekriterium des Geschmacks unterziehen und hier bin ich nun bei der Empathie und der emotionalen Intelligenz angelangt.

Es gibt Menschen die erwarten, dass jeder unfreiwillig Andersgeartete vollkommen über seinem Schicksal steht und herzhaft darüber lachen kann, wenn man skrupel- und hemmungslos darüber witzelt. All diejenigen, denen der Begriff Einfühlungsvermögen nicht fremd ist, werden erkennen, dass schwarzer Humor nicht in jeder Situation passend ist. Es ist entscheidend, in welcher Gefühlslage sich ein Betroffener gerade befindet, ob er eher in einer labilen Verfassung ist oder haushoch über den Dingen steht. Niemand ist generell unangreifbar, und es muss nur ein unangenehmes Ereignis vorangegangen sein, und ein Behindertenwitz könnte eine zerstörerische Wirkung haben. Derselbe Gag in einer anderen Situation kann wiederum durchaus erheiternd sein.

Darüber hinaus ist auch entscheidend, wer ihn macht. Es gibt Mitmenschen, die glauben, sie könnten das Eis zwischen sich und dem Blinden brechen, wenn sie erst mal einen Kalauer aus der niedrigsten aller Schubladen ziehen. Bei mir persönlich kommt es jedoch ausgesprochen schlecht an, wenn eine mir unbekannte Person in meinem Beisein unqualifiziert über die Blindheit witzelt. Ich würde mich doch auch nicht gerade sympathisch bei meinem Gegenüber machen, wenn ich erst mal unmanierlich beleidige.

Und gerade die Austeiler von Blindenwitzen können oft selbst unheimlich schlecht einstecken, wenn man ihre Schwächen unverblümt an den Pranger zerrt (siehe auch Kapitel "Ich würde mir den Strick nehmen").

Ich muss meine Zeitgenossen schließlich auch zunächst mehr oder weniger einfühlsam beschnuppern, um einschätzen zu können, wie sie ticken und welchen Ton ich bei ihnen anschlagen kann. Ich kenne Momente, in denen ich mit guten Freunden, bis der Arzt kommt über meine Behinderung lachen kann, denn ich hab selbst einen sehr makaberen Humor. Aber ich erlebte auch Situationen, in denen einfach die falschen Personen die falschen Dinge ausgesprochen haben. Die Folge waren, wenn’s wirklich dumm gelaufen ist und ich meinen Ärger nicht überspielen konnte, exzessive Heulkrämpfe mit Weltuntergangsstimmung meinerseits. Aber die vollzogen sich dann nicht vor den Augen der taktlosen Sprücheklopfer, sondern schön versteckt auf dem Klo. Nicht selten höre ich bei Partys Aussprüche, die sich Sehende in meinem Beisein an den Kopf werfen, und die klingen dann so: "Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock!", "Ohne Brille bin ich blind!", "Der ist ja voll der Blindfisch!", "Ich wünschte, ich wär blind, dann müsst ich euch nicht sehen!", "Nur blinde Maulwürfe hier!", "Von so viel Alkohol werd ich ja blind!". Und an dieser Stelle unterscheide ich wirklich ganz genau, wer was wie sagt.

Ich habe ein definitives Problem mit Menschen, die vor lauter Berührungsangst und sozialer Handlungs-Inkompetenz vollkommen überfordert sind, wenn sie mit mir konfrontiert werden, aber andererseits die anmaßendsten Sprüche reißen. Ich kenne Autoren, die Gedichte und Geschichten schreiben, in denen sie sich unqualifiziert spottend über das Blindheitsthema auslassen, aber nicht in der Lage sind, mit einem wahrhaftig blinden Menschen umzugehen. Ich erinnere mich z. B. an einen Witzler, der mit viel Phantasie einen Blinden beschrieb, der vor lauter Orientierungslosigkeit in den Wäschepuff pinkelte und statt seiner Frau ein Fischbrötchen begattete. In dieser Hinsicht hatte er ganz konkrete Vorstellungen, als er mir allerdings im realen Leben die Hand reichen sollte, hatte er keine Ahnung, wie man so was macht. Entweder der Witzler hat das Phänomen verstanden und kann deshalb mit dem Betroffenen zusammen darüber lachen, oder er hat es nicht verstanden, ist unbeholfen, taktlos und anmaßend, obwohl er in diesem Fall der Unfähige ist. Letztgenannte Zeitgenossen sollten lieber so lange den Mund halten, bis sie die Welt verstanden haben. Und wer sie verstanden hat, wird sich einen klügeren Blindenwitz als den mit der Litfaßsäule oder dem Kino einfallen lassen, denn er würde bereits etwas vom Orientierungs- und Mobilitätstraining und von Audiodeskriptionen (Hörfilmen) erfahren haben; und dann erscheinen ihm solcherlei Witze einfach zu billig, um sich damit zu schmücken.

Unschön wird es auch immer dann, wenn ein unverschämter Zeitgenosse versucht, einen Blinden dumm zu machen. Ich lasse mich ungern von Leuten denunzieren, die der Meinung sind, sie seien das Maß aller Dinge. Ich erinnere mich an ein Rudel "Anstandsverweigerer", die mich grölend und schenkelklopfend vor Lachen nach dem Weg zu Mc Donalds fragten und das unheimlich komisch fanden, weil sie glaubten, eine Blinde könne ihnen keinen Weg beschreiben. Diese Typen haben noch Minuten später lauthals ihren unheimlich tiefgründigen Scherz gefeiert, während ich mich fragte, warum es Menschen geben muss, die sich freiwillig das Hirn amputieren lassen. Da ich die Innenstadt gut kannte, hätte ich ihnen ohne Probleme den Weg erklären können. Ich zeige nicht selten einem Sehenden "wo es lang geht", wenn z. B. Besucher in mein Büro kommen und sich nach einem bestimmten Objekt erkundigen. Sie sehen mir dann oft zunächst meine Blindheit nicht an und sind im Nachhinein vollkommen erstaunt, dass ich ihnen eine so präzise Navigation sein konnte. Es gibt also, um noch einmal auf das Mc-Donalds-Beispiel zurückzukommen, sehr unkluge Personen, die einen für minderbemittelt verkaufen wollen, und das ist störend. Ich duelliere mich gern mit Leuten, die ihre Meinung niveauvoll argumentieren können, aber das erfordert eine angemessene Ebene und diese ist leider nicht immer gegeben. Es wäre in einem solchen Fall sinnvoller, mit Knäckebrot zu kommunizieren. Ich kann ja dieses freche Verhalten sozialpädagogisch einordnen, aber rein menschlich nervt es unbeschreiblich.

Ich erinnere mich an eine meiner Ausschreibungen in einem Internetforum. Im Rahmen meiner Vorbereitungen für ein Literaturprojekt startete ich folgenden Aufruf:

Wer schreibt Gedichte?

Geschätzte Hobby-Lyriker, ich plane eine Unsichtbar-Lesung, die sich in vollkommener Dunkelheit vollziehen wird. Wenn Poesie und Finsternis einander umarmen, dann wird eine Idee geboren, welche die Gesetze der sichtbaren Wirklichkeit durchbricht und die Pforten für eine tiefsinnige Wahrnehmung öffnet. Die ausgewählten Werke werden in absoluter Schwärze "Sinn"-lich interpretiert und inszeniert.

Ich selbst bin blind und Ihr würdet mir sehr helfen, wenn Ihr Euch direkt an meine Mailadresse wendet und Eure Gedichte als Word-Datei in den Anhang legt. Schon jetzt vielen Dank dafür, dass ich lesen darf, was Ihr mit hoffentlich viel Herzblut geschrieben habt, auch wenn natürlich nicht alle Beiträge Verwendung finden können.

Da hatte ich der Welt nun eine Denkaufgabe hingeworfen, die von mir keineswegs beabsichtigt war. Ich hatte mit so viel Unwissenheit nicht gerechnet. Man zerfetzte sich die Mäuler über diesen Text und degradierte ihn zum Gag. Kaum jemand hatte begriffen, dass blinde Menschen tatsächlich E-Mails schreiben, sich in Projekten engagieren und Veranstaltungen inszenieren, aber die Lieben ließen sich nicht zu knapp unterhalb der Gürtellinie darüber witzelnd aus. Und das ist genau der Punkt, den ich vehement kritisiere. Wenn jemand weiß, worüber er lacht, weil er begriffen hat, worum es geht, dann ist nichts dagegen einzuwenden. Wenn aber nichts als heiße Luft im Kopf ist, sollte die erst mal durch Wissen ersetzt werden, bevor gescherzt wird. Da die entsprechenden User ihre Energie lieber in halbwissenden Witzeleien verheizten, als sich bei mir über die eigentlichen Hintergründe meiner ernstgemeinten Ausschreibung zu informieren, tat ich den ersten Schritt und klärte die Zusammenhänge auf. Der Initiator der Diskussion wurde plötzlich handzahm und entschuldigte sich nahezu rührend bei mir und dann hatten sich alle furchtbar dolle lieb. Allen Fettnäpfchentapsern empfehle ich, beim nächsten Mal erst zu denken, bevor es zu unreflektierten Äußerungen kommt. Wie dem auch sei, der Wirbel sorgte für Publicity und ich hatte die Möglichkeit, ein Meer voller Ahnungslosigkeit und Irrtümer auszutrocknen.

Was bleibt noch zu sagen? Ach ja, lieber Leser. Lass mich bitte noch das gern beanspruchte Argument: "Aber Blinde machen doch selber Witze über sich!" aus dem Hut zaubern. Und somit wäre ich bei der Theorie: "Humor ist, wenn man trotzdem lacht", angelangt und genau dazu hat der Betroffene als Erster das Recht, wenn nicht er, wer dann? Der Unterschied zwischen schwarzem Humor und Galgenhumor besteht eben darin, dass beim Galgenhumor die Witze vom am Galgen Hängenden, also vom Betroffenen ausgehen.

Natürlich haben Witze unter Blinden einen vollkommen anderen Stellenwert, auch wenn selbst hier nicht jeder innerhalb der Blindenszene ein Freund davon ist. Die meisten jedoch können über sich hin und wieder sehr gut lachen und teilen ihren Humor gern mit Leuten, denen es wie ihnen geht. Ich weiß von diversen Stammtischabenden, bei denen Betroffene zur lustigen Blindenwitz-Comedy eingeladen haben, um sich und ihre Behinderung nicht zu ernst zu nehmen. Jeder der einen Scherz über sich selbst macht, kann eigenständig bestimmen, wie "dumm" und damit eigentlich wieder überlegen er sich darstellen möchte. Das ist der Unterschied zwischen selbstbestimmten und fremdbestimmten Späßen. Es tut auch weniger weh, sich selbst zu dissen, als wenn es jemand anderes tut. Manche Menschen haben sich das zur Strategie gemacht und schießen auf eine krankhafte Weise mit selbstironischem Galgenhumor um sich, dass man hier nicht von Selbstbewusstsein, sondern überspielten Minderwertigkeitskomplexen sprechen muss. In diesem Fall sollte man vorsichtig sein, denn der Betroffene scheint sich hier nicht wirklich im Einklang mit seinem Handicap zu befinden. Der einfältige Mitlacher unterliegt dann oft dem Irrglauben, der Betroffene sei hart zu sich selbst, also könne man ruhig richtig vom Leder ziehen und auf seine Kosten erst recht loslegen. Und so entsteht ein Kreislauf, der einer gesunden Behinderungsverarbeitung eher entgegenwirkt. Wir lernen also, dass nicht jeder selbstironische Blinde auch tatsächlich aus purem Selbstbewusstsein heraus handelt. Es ist wie überall im Leben: da sind solche und solche und genau deswegen kann ich auch hier keine generelle Aussage treffen. Wenn ich von mir sprechen darf, so scherze ich schon hin und wieder gern mal über mich herum, weil sich ein Witz manchmal echt verdammt gut anbietet und es förmlich danach schreit, ihn auszusprechen, Situationskomik eben, oder weil er bei der Verarbeitung eines behinderungsbedingten Konfliktes hilft, manchmal auch aus Selbstschutz und nicht selten auch, weil ich Galgenhumor mag.

Im Grunde schreibt die Realität die übelsten Witze, da braucht man noch nicht mal welche erfinden. Hin und wieder ist der Alltag komischer als jede Überspitzung und kein Witz würde da hinkommen, wo einige ungeschickte Mitmenschen schon vorher stehen. Dazu eine kleine Episode:

Ein vollblinder Freund von mir wurde wegen eines Jobangebotes zum Arbeitsvermittler geladen. Dort zog man ihn am Stock ins Büro, erkundigte sich dann nach dem Vorhandensein seiner Fahrerlaubnis und schlug ihm einen Job als Schweißer vor. Darauf antwortete mein Kumpel: "Ich fahre unsicher und schweiße ungern. Das kann ins Auge gehen." Hier ist der Blinde nicht der Witz, sondern eindeutig der "blinde Sehende".

Natürlich kann man solche Begebenheiten nur mit Humor nehmen und hier ist er auch vollkommen berechtigt. Da ich aber den Eindruck habe, dass der Begriff des schwarzen Humors von einigen Zeitgenossen etwas überstrapaziert oder einfach falsch praktiziert wird, möchte ich seine Absicht und seine Existenzberechtigung noch einmal etwas näher beleuchten. Natürlich hilft Humor bei der Auseinandersetzung mit gesellschaftlich tabuisierten Themen. Wird die Ehrfurcht vor Tabus ausgeklammert, entsteht unter Umständen sogar eine größere Offenheit dem heiklen Thema gegenüber. Humor kann also Schranken sprengen und dadurch eine befreiende Wirkung innerhalb des zwischenmenschlichen Umgangs erzielen. Da dabei aber nicht selten der Respekt vor dem belachten Mitmenschen ausgeschaltet wird, kann die Absicht, eine schwierige Situation mit Humor zu überspielen, auch schnell mal nach hinten losgehen. Und auch hier muss differenziert werden. Ich z. B. lasse nicht zu, dass eine Person, die es sich im Grunde nicht leisten kann, sich mir gegenüber respektlos verhält, ohne dass sie selbst in ihrem Leben viel aus eigener Kraft geschafft hat. Wenn meine gesamte Persönlichkeit auf das reduziert wird, was ein Witz über Blinde sagt, weil der entsprechende Witzreißer nicht weiterdenken kann, dann kann nicht von einem humorvollen Umgang mit einem Tabuthema die Rede sein, dann muss schlicht und ergreifend von Diskriminierung gesprochen werden. Schätzt mein Kommunikationspartner allerdings meine Person und greift eine Situation heraus, die wir beide lustig finden, dann lass ich auch gern mal zu, dass der Respekt vorübergehend links liegen bleibt.

Links liegen lasse ich jetzt auch mal kurz den Humor und greife eine weitere Aussage auf. Jetzt wird es soziologisch, aber davor braucht niemand Angst zu haben. Einige Mitmenschen vertreten die Meinung, dass ein Behinderter wie ein ganz "normaler" Mensch behandelt werden solle und man ihn eben nicht mit besonderer Sensibilität anfassen müsse. Nun lasse ich mich also dazu hinreißen, noch fix den Begriff der sozialen Norm anzuschneiden. Die Norm ist stets von der Mehrheit geprägt. Normal scheint all das zu sein, was die meisten Menschen eben als normal erachten. Normen sind kulturell und gesellschaftlich bedingt und unterliegen entsprechenden Wandlungsprozessen; sie fungieren als Verhaltensvorschriften. Wer sich also normal verhält, handelt diesen Vorschriften entsprechend. Dadurch wird zwischenmenschliches Interagieren kalkulierbar. Man spricht dieselbe Sprache. Blinde Menschen handeln und agieren häufig andersartig, da sie auf andere Werkzeuge zurückgreifen müssen. Somit werden sie für Sehende oft zu suspekten Zeitgenossen, deren Welt man nicht durchschaut. Aus Unwissenheit und Unverständnis werden dann Vorurteile und Berührungsängste und im schlechtesten Fall einige der eher ganz miserablen Blindenwitze. Diese Stelle wäre der falsche Zeitpunkt für Humor. Hier ist es angebrachter, erst mal die Normen der Blindheit zu durchschauen. Der Blinde muss schließlich auch die Normen der Sehenden akzeptieren, um sich in deren Wirklichkeit verständlich zu machen. Was wäre, wenn ein Blinder sich auf den Vorurteilen und Berührungsängsten Sehenden gegenüber ausruhen würde? Von ihm verlangt man, offen seiner Umwelt gegenüber zu treten, obwohl er es oft doppelt so schwer hat wie ein Augennutzer. Wie dem auch sei, zurück zur Norm. Es gibt nämlich innerhalb des globalen Normverständnisses noch die Einzelnormen, die auf bestimmte Personengruppen zutreffen. Im Rahmen seiner Möglichkeiten verhält sich der Blinde also normal und zur Normalität gehört es, diese Einzelnormen einzubeziehen. Dabei muss der Blinde aber an der ihm entsprechenden Norm gemessen werden. Dazu gehört eben auch, dass er in bestimmten Bereichen sensibler reagiert als andere Menschen, die nicht unter dem Verlust ihres Augenlichts leiden und daran sollte sich auch der Humor orientieren. Ich halte fest, dass es durchaus normal ist, besonders zu sein und dass man einen Blinden schon wie einen Blinden behandeln muss, weil er ja nun mal blind ist, aber ihn nicht zu einem minderwertigen Exoten machen darf. Natürlich geht die Rechnung nicht auf, wenn mich jemand aus falsch praktizierter Toleranz heraus wie einen Sehenden behandelt. Das ist ein falsches Verständnis von normalem Umgang. Würde ich mich darauf berufen, könnte ich mir ja mal fix ein Auto borgen und ne Spritztour machen. Ich glaube, da würde niemand mitfahren. Fotografieren, Zeichnen und das Steuern von Flugzeugen gehören auch nicht gerade zu meinen unproblematischsten Hobbys und meine berufliche Karriere orientiert sich bewusst nicht in Richtung plastische Chirurgie, weil hier einfach die Hinderlichkeit des fehlenden Augenlichtes nicht wegzudiskutieren ist. Die Blindheit bleibt also schon ein Thema und man kann nicht so tun, als sei sie nicht da. Anstrebenswert ist eben nur, dass sie als "normal" empfunden wird, innerhalb der für sie zutreffenden Kriterien und deren Veräußerlichung.

Allen Mitweltlern, die sich als normal bezeichnen und dabei andere unberechtigt geringschätzen sei gesagt, dass es engstirnig ist, sich an überholten Vorstellungen festzuhalten. Sinnvoll ist immer die intelligente Einsicht in die Notwendigkeit der Überprüfung, Veränderung oder Erneuerung von Normvorstellungen, wenn dies zu einem optimalen Ergebnis im zwischenmenschlichen Umgang führt. Natürlich ist es bequem, sich an undurchdachten Floskeln zu orientieren, sie sind besser als gar keine Orientierung, aber ich halte viel von Menschen, die sich nicht an ihren eigenen Denkfehlern festklammern müssen, um die Welt zu verstehen.

Auch der gesellschaftliche Umgang mit Unnormalem ist Teil der Norm. Nur diese Dynamik ermöglicht ein Gleichgewicht.

Manchmal hilft eine Umkehrung, um Zusammenhänge deutlicher zu machen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich manch sehender Mitmensch leicht angegriffen fühlt, wenn ein Blinder versucht ihm mit Hilfe sarkastischer Bemerkungen etwas zu verdeutlichen. Ist der "Gucki" mal der Angekreidete, spielt er schnell die beleidigte Leberwurst und unterstellt dem Blinden Selbstmitleid oder Arroganz. Ein geschätzter Bekannter, übrigens ein Augennutzer, hebelte diese beiden Unterstellungen argumentativ sehr überzeugend aus. Und genau so sehe ich es auch: Wenn sich jemand freiwillig unter mich stellt um dann zu behaupten, ich würde ihn von oben herab behandeln, dann ist das sein Verschulden. Ich argumentiere nicht nach oben oder unten, sondern gerade aus, Auge in Auge, wenn man so will. Entscheidend ist nur, dass das Gesagte durchdacht ist und nicht unberechtigt diskriminiert. Und zum Selbstmitleid… Dieses Wort ist, ein Doppelwopper. Kürzt man alle Überflüssigkeiten weg, bleibt das Leid und jeder der eine Seele besitzt, wird hin und wieder leiden. Wir alle sind leidende Wesen und ausgerechnet einem Blinden will man es zum Vorwurf machen? Mir liegt es fern, über Sehende Witze zu machen, denn ich mag sehr viele von diesen "Guckis" und bin ihnen dankbar, wenn sie mir von ihren optischen Erkenntnissen erzählen. Dennoch möchte ich von meinem Recht Gebrauch machen, ihnen einige von ihren Verhaltensweisen bewusst zu machen, die mir wehtun. Ich fordere denkende Menschen und ich bin dabei nicht nur hart zu den "Guckis", sondern auch zu mir selbst. Ich habe mich sehr lange nicht kritisch zu meinen Befindlichkeiten geäußert, aus Rücksichtnahme auf die Anderen, ohne dass dabei jemand auf mich Rücksicht genommen hätte. Ich will nicht als Anklägerin auftreten, ich möchte nur vermitteln, zwischen zwei gleichwertigen Welten, die sich hin und wieder missverstehen und sich dadurch bedauerlicher Weise einen entspannten zwischenmenschlichen Umgang erschweren.

Ich erfuhr kürzlich von einer Comedy-Show, in der sich ein Sehender als Blinder verkleidete und sich mit einem Führhund auf die Straße begab. Der Gag sollte darin bestehen, hilfsbereite Passanten zu veralbern. Der falsche Blinde fragte nach einem Weg und bat die befragten Passanten, dem Führhund den Weg zu skizzieren. Ich empfand das als bedenklich, denn hier wurde Hilfsbereitschaft bestraft, in dem man sich über die Unwissenheit der Sehenden lustig machte. Natürlich kann ein Hund keine Skizzen erkennen, Fahrpläne interpretieren oder Erklärungsversuche nachvollziehen. Seit Jahren versuche ich in meinen Veranstaltungen diesen Irrglauben auszuräumen, aber anstatt aufzuklären, sorgen solche Sendungen für noch mehr Irritationen und machen es den wahren Blinden noch schwerer, ernst genommen zu werden. Ein echter Blinder käme wahrscheinlich nicht auf die Idee, einen hilfsbereiten Sehenden auf diese Weise zu veräppeln.

Beenden möchte ich dieses Kapitelchen mit einer Bitte, denn es mangelt an guten Blindenwitzen, wie ich im Rahmen meiner Recherchen feststellen musste. Entweder sind die Witzlein alt wie die Steinkohle, oder sie sind einfach nur schlecht, oder sie sind steinalt und schlecht, oder sie schaffen es eben doch, ein mittelschweres Lachbeben zu erzeugen oder mindestens zum Nachdenken anzuregen. Wer möchte, kann mir also gern ein paar spritzige Witze oder ein paar witzige Spritzer zusenden (JSonntag@blindverstehen.de). Ich setze mich derweil wie eine Prinzessin in den Elfenbeinturm und warte auf den Prinzen, der es schafft, mich gekonnt zu erheitern. Ich habe vor, zum geeigneten Zeitpunkt einen Workshop zum Thema Blindenwitze anzubieten. Also, geschätzter Leser meiner Ausführungen, ich wär dir sehr dankbar, wenn du mich mit Material füttern würdest, um irgendwann in gemütlicher Runde mit mir zusammen Tränen darüber zu lachen. Wir sehen uns …