Hier stelle ich mal nicht die Fragen, sondern meine Zuschauer:
Diese Frage ist berechtigt, bin ich doch mit Leib und Seele diplomierte Sozialpädagogin und keine Journalistin. Aber letztlich war es mein pädagogischer Beruf, der meine Redaktion und mich zusammen führte. "Selbstbestimmt!" besuchte damals das BFW Halle, in dem ich im Bereich der Öffentlichkeits- und Rehabilitationsarbeit tätig bin. Man schickte mir das Fernseh-Team prompt ins Büro und wir fanden sofort Gefallen aneinander. Es entstand ein erstes Porträt und irgendwann wurde ich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, Prominente aus meiner ganz speziellen Sicht zu interviewen.
Gecastet war ich ja im Prinzip bereits. Aber es gab einen Probedreh, im "Hier ab Vier"-Studio direkt im MDR Hochhaus. Dieses Studio kannte ich bislang nur aus dem täglichen Nachmittagsfernsehen und nun saß ich selbst auf den Polstern der Moderationscouch. Mathes Dues, der damals zukünftige Moderator der Sendung "Selbstbestimmt"! war mein Testpromi. Nach der Bestandsaufnahme wurde an verschiedenen Konferenztischen konzipiert und diskutiert, bis schließlich das Sendeprofil "SonntagsFragen" stand. Zu meiner großen Freude überzeugte der "Pilot" und wir konnten durchstarten.
Am Anfang habe ich das noch ganz bewusst reflektiert und mitgezählt. Mittlerweile sind es so viele Begegnungen, dass ich die "SonntagsFragen" als Gesamtpaket mit all den großen und kleinen Bausteinen als absolute Inspiration empfinde. Ich habe einen ziemlich weiten Blick über den Tellerrand entwickeln können. Jeder Promi transportiert ja auch ein Stück seiner Lebenswelt und ermöglicht mir neue Sichtweisen, Kontakte und Projektideen. In der Promi-Ecke sind die meisten meiner bisherigen Gesprächspartner abgelegt. Für die blinden Besucher meiner Homepage ist jeder Promi unter dem entsprechenden Foto namentlich benannt.
Ich habe durchaus Wunschkandidaten, aber die sind selten prominent und würden den Zuschauer vermutlich weniger interessieren. Oder sie sind so prominent, dass sie schon für Jahre ausgebucht und einfach nicht zu kriegen sind. Weil ich ja Kontraste mag und gern Tabus breche, war es übrigens ein großer Wunsch von mir, zwei Frauen zu interviewen, die ideologisch so gar nicht kompatibel sind: Alice Schwarzer und Michaela Schaffrath. Allein dafür hat sich für mich ganz persönlich meine Fernseharbeit gelohnt.
Das kommt vor. Es wurden auch schon Telefonnummern und Adressen ausgetauscht und ich erlebte im Nachhinein wirklich nette Überraschungen. Mir ist es allerdings sehr wichtig, keinen Prominenten als Instrument zu bemühen, nicht für mich und nicht für andere.
Die verzapfe ich ganz allein. Ich darf und soll meine persönlichen Akzente setzen und das kommt mir sehr entgegen. So fühle ich mich rundum authentisch und eben selbstbestimmt. Eine Visagistin meines Vertrauens habe ich natürlich immer an meiner Seite. Als blinde Moderatorin, die sich nur auf ihren inneren Spiegel beziehen kann, muss ich mich darauf verlassen, dass das Ergebnis meinen Schmink- und Frisurwünschen entspricht. Meine erste professionelle Maske durfte ich neben Herrn Escher erleben, der direkt nach mir für seine Sendung geschminkt wurde. Mittlerweile dient die Maske auch so ein wenig dem Vorglühen, da ich dort den Erstkontakt zu meinen prominenten Gesprächspartnern aufnehme. Jedenfalls stellen die "SonntagsFragen" eine ausgezeichnete Rechtfertigung für meine Shoppingleidenschaft dar, denn wenn wieder ein neues Teil auf meiner ächzenden Kleiderstange hängt kann ich sagen: "Das brauch ich fürs Fernsehen!"
Schon etwas abstrus, ist doch das Fernsehen ein überwiegend visuelles Medium, welches ich selbst nicht wirklich nutze. Ich muss den optischen Ansprüchen des Zuschauers irgendwie gerecht werden, kann aber mit meinen Augen keine Kontrolle ausüben. Das kann sehr verunsichernd sein, weil ich ja mit den Kameras nicht spielen kann und auf akustische Signale angewiesen bin. Die Stimme meines Gesprächspartners hilft mir dabei, meine Sprechrichtung festzulegen. Mein Team kann mir keine nonverbalen Zeichen geben und muss alles kommentieren. Anfangs war ich traurig darüber, dass ich das Resultat nicht anschauen durfte. Gerade als Frau will man ja wissen, wie man so rüber kommt. Ich kann mich ja auch optisch nicht mit anderen vergleichen und erfinde mich stets aus mir selbst heraus. Inzwischen macht mich das aber sehr frei und unabhängig, denn es ist ja nicht mein Auftrag, eine Sehende zu spielen, sondern mich so zu verkörpern, wie ich bin. Das ist eine interessante Kontroverse, die da entsteht, aber genau die ist ja auch gewollt.
Es sind schon zwei Kleinbusse voller Leute, die an so einem Dreh mitwirken. Da ist die Produktionsfirma mit den drei Kameraleuten, der Kameraassistentin und dem Tontechniker, dem Aufnahmeleiter und schließlich noch die Maske, die Redaktion und manchmal noch das Management des jeweiligen Promis.
Früher waren wir in ganz Deutschland und bis über die Grenzen hinaus unterwegs. Süd Tirol war das Weiteste, aber auch in Köln, Berlin, Magdeburg und Dresden haben wir schon gedreht, mehrfach sogar in meiner Heimatstadt Halle. Wir waren in Hotels, Mediacentern, exklusiven Klubs, Tonstudios, Theatern und nicht selten auch in den Privatanwesen der Promis aktiv. Jetzt zeichnen wir ausschließlich in Leipzig, direkt im MDR-Gebäude auf.
Seit 2014 gibt es neben der gewohnten TV-Kurzfassung eine eigenständige Langfassung im Doppelpack, welche einmal monatlich, jeweils sonntags, im MDR-Fernsehen ausgestrahlt wird. Unsere Langfassungen liefen bislang nur als Online-Format und nun geschah etwas für die gesamte ARD Einmaliges: wir durften mit dem Internet-Extra auch ins Fernsehen! Die Sendetermine versuche ich meinen Zuschauern regelmäßig auf meiner Homepage unter dem Link "Termine" mitzuteilen. Hilfreich ist auch die MDR-Mediathek, da verpasste Sendungen dort voraussichtlich bis zu einem halben Jahr abrufbar bleiben. Wer also eher im Netz aktiv ist, möge hin und wieder unter www.MDR.de nachschauen. Einen eigenen facebook-Auftritt haben die SonntagsFragen natürlich auch. Für Freunde des Magazins "Selbstbestimmt!" bleibt innerhalb dieser Sendung auch die Kurzfassung der "SonntagsFragen" erhalten. Meinen Zuschauern einen herzlichen Dank fürs Dranbleiben und Mitfiebern!
Foto Dreharbeiten, Quelle "MALSEHEN"